Scheinträchtigkeit bei Hündinnen
Welpen zu bekommen, das ist auch für Fellnasen eine der schönsten Erfahrungen im Hundeleben. Aber hätten Sie gewusst, dass nicht jeder Schwangerschaftsbauch auch gleich auf eine Schwangerschaft hindeutet? Gerade wer zum ersten Mal eine Hündin hat, ist häufig überrascht, wenn es um das Thema Scheinträchtigkeit geht.
Aus diesem Grund möchten wir uns im Rahmen dieses Ratgebers näher mit dem Phänomen der Scheinschwangerschaft bei Hündinnen beschäftigen und Ihnen die wichtigsten Fragen zum Thema beantworten.
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Was versteht man unter Scheinträchtigkeit?
Genau genommen handelt es sich bei dem Phänomen weniger um eine Scheinträchtigkeit, sondern vielmehr um eine Scheinmutterschaft. Bevor wir uns in Wortklaubereien verlieren, fassen wir es unwissenschaftlich kurz: Unter einer Scheinträchtigkeit versteht man eine bestimmte Art körperlicher und psychischer Veränderungen bei Hündinnen, die rund drei bis neun Wochen nach der Läufigkeit auftreten können.
Die Scheinträchtigkeit fällt damit genau in die Zeitspanne, in der die Hündin Welpen hätte haben können. Jedenfalls, wenn sie tatsächlich von einem Rüden gedeckt worden wäre. Durch hormonelle Einflüsse können typische Veränderungen wie die Milchproduktion (lat. Lactatio falsa) auch dann auftreten, wenn keine Deckung erfolgt ist.
Üblicherweise tritt die Scheinträchtigkeit nur bei unkastrierten Hündinnen auf. Aber keine Angst. Die Scheinschwangerschaft ist keine Krankheit, sondern lediglich ein aus dem Ruder geratener, natürlicher Prozess. Die Auswirkungen legen sich mit der Zeit von allein wieder.
Auslöser für die Scheinträchtigkeit bei Hündinnen
Die Ursache für die Scheinträchtigkeit liegt in den Hormonen. Normalerweise durchläuft Ihre Fellnase während der Läufigkeit unterschiedliche Phasen, in denen diverse Hormone aktiv sind. Gleich zu Beginn schüttet der Körper der Hündin in der sogenannten Nachbrunst-Phase das Hormon Progesteron aus.
Dieses hat unter anderem die Aufgabe, die Schleimhaut der Gebärmutter auf das Einnisten der befristeten Eizellen vorzubereiten. Zudem dient es als Signalgeber zur Erhaltung des „Trächtigkeits-Modus“. Im Zuge der Läufigkeit wird dieses Hormon auch bei Hündinnen gebildet, die nicht gedeckt wurden. In der nächsten Phase, die ca. 60 Tage nach dem Deckakt einsetzt, sinkt der Progesteronspiegel im Blut ab.
Als Gegenreaktion stößt der Hundekörper nun die Produktion des Hormons Prolaktin an. Wie der Name bereits andeutet, dient das Hormon unter anderem dazu, die Milchproduktion anzuregen und den Mutterinstinkt der Hündin zu wecken. Kein Wunder, immerhin würde eine gedeckte Hündin in dieser Zeit ihre Welpen bekommen. Das Auftreten der Scheinträchtigkeit hängt davon ab, wie hoch der Prolaktinspiegel im Blut ansteigt. Hier gilt: Je höher die Prolaktinkonzentration, desto ausgeprägter können die Symptome der Scheinträchtigkeit ausfallen.
Trächtigkeit dauert länger als Scheinträchtigkeit
Eine Scheinträchtigkeit können Halter:innen häufig erst nach einer Weile erkennen. Aber auch, wenn die eigenen Hündin nicht trächtig ist, ist das Wissen um das Wunder der Entwicklung der kleinen Fellnasen faszinierend. Im Folgenden möchten wir Ihnen daher einen kurzen Überblick bieten, was eigentlich in den rund 63 Tagen der echten Trächtigkeit so alles im Körper der werdenden Hundemama passiert (Datenquelle zur Grafik):
Die Symptome einer Scheinträchtigkeit
Die Symptome der Scheinträchtigkeit sind vielfältig. Sie zeigen sich nicht nur in verschiedenen Körperbereichen, sondern vor allem anhand spezifischer Verhaltensänderungen und manchmal sogar Wesensveränderungen. Kein Wunder, immerhin spielt der Hormonhaushalt Ihrer Hündin ein wenig verrückt und gerät im Vergleich zur körperlichen Realität aus dem Takt. Erkennen können Sie eine Scheinträchtigkeit anhand der folgenden Punkte. Am eindeutigsten sind dabei die körperlichen Anzeichen:
Körperliche Anzeichen der Scheinträchtigkeit | Verhaltensänderungen bei Scheinträchtigkeit |
---|---|
– Geschwollene Zitzen und geschwollenes Gesäuge | – Erhöhtes Schlafbedürfnis |
– Deutlich fühlbar wärmeres Gesäuge | – Appetitlosigkeit |
– Sichtbar vergrößerter Bauchumfang | – Auffälliges Nestbauverhalten |
– Hündin leckt sich häufig am Gesäuge | – Aggressivität gegenüber anderen Hunden |
– Milchproduktion (unterschiedliche Intensität) | – Verteidigungsverhalten (insbesondere bei Gegenständen) gegenüber anderen Hunden und auch gegenüber Ihnen |
– „Entführen“ von Gegenständen wie Spielzeugen oder Hausschuhen | |
– Weigerung gegenüber Spaziergängen | |
– Schlappheit und Lustlosigkeit | |
– Erhöhte Anhänglichkeit |
Achtung!
Tritt eitriges bzw. blutiges Milchsekret aus den Zitzen Ihrer Hündin aus oder stellen Sie Rötungen, Verhärtungen oder schmerzhafte Stellen am Gesäuge fest, sollten Sie Ihre Tierärztin bzw. Ihren Tierarzt aufsuchen. In einem solchen Fall könnte es sich um eine Gesäuge-Entzündung (Mastitis) handeln.
Diagnose: So erkennen Tiermediziner:innen eine Scheinträchtigkeit
Eine Scheinträchtigkeit Ihrer Hündin kann für Sie enorm nervenaufreibend sein. Glücklicherweise ist die Diagnose relativ einfach. Schon der zeitliche Zusammenhang zwischen der Läufigkeit und dem Auftreten der beschriebenen Symptome gibt einen eindeutigen Hinweis. Gerade dann, wenn Ihre Hündin gedeckt wurde.
In wenigen Fällen liegt aber trotzdem eine echte Trächtigkeit vor. Vielleicht hat ja ein Hunde-Casanova einen unbeobachteten Moment ausgenutzt. In einem solchen Fall verschafft eine Röntgen- bzw. Ultraschalluntersuchung bei der Tierärztin oder dem Tierarzt Klarheit.
Behandlung und Therapie einer Scheinträchtigkeit
Die Scheinträchtigkeit ist keine Erkrankung, sondern ein Zustand, der sich innerhalb kurzer Zeit wieder normalisiert. In den meisten Fällen ist damit gar keine tierärztliche Behandlung nötig, da die Symptome von allein wieder verschwinden. Das Beste, was Sie unternehmen können, ist Ablenkung. Lasten Sie Ihre Hündin aus, indem Sie mit ihr viel Zeit an der frischen Luft verbringen und mit ihr spielen.
Achten Sie zudem darauf, dass Sie die Spielzeuge außerhalb der Spielzeiten aus der Reichweite Ihrer Hündin nehmen. Gerade bei Hündinnen, die zu Aggressivität und Verteidigungsverhalten neigen, können Sie so bereits vielen Problemen vorbeugen.
In schwerwiegenderen Fällen mit starken Verhaltensauffälligkeiten kommt eine medikamentöse Therapie mit Hilfe beruhigender Medikamente infrage. In manchen Fällen, in denen die Auswirkungen der Scheinträchtigkeit besonders heftig ausfallen, bauen Tierärztinnen und Tierärzte auf sogenannte Prolaktin-Hemmer. Diese Medikamente verhindern die Ausschüttung des Schwangerschaftshormons Prolaktin und damit die Entwicklung der typischen Verhaltensauffälligkeiten. Eine Besserung der Symptomatik tritt nach rund drei bis sieben Tagen ein.
Schon gewusst?
Kleinere Hunderassen sind häufiger von Scheinschwangerschaften betroffen als große Hunderassen.
Kann man einer Scheinträchtigkeit vorbeugen?
Eine Scheinträchtigkeit lässt sich leider weder durch Medikamente noch durch Maßnahmen, die Sie zu Hause treffen können, vollständig verhindern. Maßnahmen wie die Reduktion des Futters während der Läufigkeit, eine erhöhte Auslastung oder das Wegräumen von Spielzeugen können lediglich Linderung verschaffen. Auch der Mythos, dass Hündinnen, die bereits einmal Welpen hatten, nicht mehr scheinträchtig werden können, ist schlicht falsch.
Die einzige wirksame Methode, um der Scheinträchtigkeit einen Riegel vorzuschieben, ist eine Kastration. Nur der operative Eingriff verhindert das Durcheinander im Hormonhaushalt, führt jedoch auch dazu, dass Ihre Hündin keinen Nachwuchs mehr bekommen kann. Wichtig: Die Kastration sollte in keinem Fall während der Scheinträchtigkeit durchgeführt werden. Der ideale Zeitpunkt ist die hormonelle Ruhephase (Anöstrus).
FAQ – Die häufigsten Fragen zur Scheinträchtigkeit
1. Wie lange dauert die Scheinträchtigkeit?
Die Scheinträchtigkeit tritt etwa ein bis drei Monate nach der Läufigkeit auf. Üblicherweise dauert diese Phase rund zwei bis drei Wochen. Danach haben sich Hormonhaushalt und Verhalten Ihrer Hündin wieder normalisiert. Bei vielen Hündinnen sind die Symptome des Hormonchaos jedoch so schwach, dass so mancher Halter die Scheinträchtigkeit gar nicht erst bemerkt.
2. Ist eine Scheinträchtigkeit normal?
Kurz gesagt: Ja. Eine Scheinträchtigkeit ist ein natürlicher Prozess, der auf eine Schieflage im Hormonhaushalt zurückgeht. Es handelt sich um keine Erkrankung, die behandelt werden muss. Einzig abnormale Veränderungen an Milchsekret und Gesäuge gelten als Indikation für einen Besuch bei der Tierärztin bzw. dem Tierarzt. Als Halter:in bleibt Ihnen damit nur ein Ausweg: sich mit den Marotten der „Scheinschwangeren“ zu arrangieren.
3. Wie häufig kommt eine Scheinträchtigkeit vor?
Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Grundsätzlich gilt jedoch, dass jede Hündin zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens eine Scheinträchtigkeit entwickeln kann. Zudem ist das „Risiko“ für das erneute Auftreten einer Scheinträchtigkeit bei Hündinnen erhöht, die bereits einmal eine solche hinter sich hatten.
4. Welche Ursache hat die Scheinträchtigkeit?
Auslöser für die Scheinträchtigkeit ist eine hormonelle Verwerfung, obwohl gar kein Deckakt vorgelegen hat. Ursächlich ist ein enormer Anstieg der Blutkonzentration des Hormons Prolaktin, das unter anderem für die Aufrechterhaltung der Trächtigkeit sowie für die Milchbildung verantwortlich ist.
5. Welchen Sinn hat die Scheinträchtigkeit bei Hunden?
Das ist eine gute Frage, denn welchen Sinn soll eine Schwangerschaft haben, die keine ist? Den Ursprung für diesen Mechanismus vermuten Forscher aktuell in der wölfischen Vergangenheit des Hundes. In wild lebenden Wolfsrudeln ist es so, dass ausschließlich die Leitwölfin Junge bekommt.
Da der „Zyklus“ innerhalb des Wolfsrudels einigermaßen gleichgerichtet ist, sind die anderen weiblichen Tiere ebenfalls im Schwangerschaftsmodus. Damit scheint die Evolution sicherzustellen, dass die Jungen auch dann versorgt sind, wenn die Leitwölfin stirbt oder auf der Jagd ist. Dieses Verhalten hat sich wohl bis heute in unseren Haushunden erhalten. Der Mechanismus liegt allerdings noch immer im Dunklen.
6. Wie wahrscheinlich ist es, dass meine Hündin wieder scheinträchtig wird?
Sobald Ihre Hündin einmal eine ausgeprägte Scheinträchtigkeit hinter sich hatte, besteht in Zukunft ebenfalls eine erhöhte Wahrscheinlichkeit. Es bedeutet jedoch nicht, dass Ihre Fellnase nach jeder Läufigkeit eine Scheinträchtigkeit an den Tag legt oder sogar starke Symptome zeigt.
7. Was kann ich tun, wenn meine Hündin aggressiv wird?
Einige Hündinnen werden im Zuge einer Scheinschwangerschaft regelrecht aggressiv. Das zeigt sich beispielsweise an ausgeprägtem Verteidigungsverhalten gegenüber anderen Hunden, kleinen Kindern und sogar Ihnen. Ihre Tierärztin bzw. Ihr Tierarzt kann in solchen Fällen beruhigende Medikamente verschreiben. Auch homöopathische Mittel wie Bachblüten können gemeinsam mit viel Bewegung Linderung verschaffen.
8. Kann ich einer Scheinträchtigkeit vorbeugen?
Nein, da die Scheinträchtigkeit ein natürliches Phänomen und keine Erkrankung mit spezifischen Ursachen ist, können Sie ihr nicht wirklich vorbeugen bzw. sie verhindern. Die einzige Option ist eine Kastration. Nur kastrierte Hündinnen können nicht scheinträchtig werden.